Gesellschaftliche Wahrnehmung

Gesellschaftliche Wahrnehmung und Bewertung von waldbasierten Ökosystemleistungen

Biologische Vielfalt und ihre ökologischen Funktionen können durch naturwissenschaftliche Kenngrößen objektiv beschrieben werden, sofern die notwendigen Daten zur Artenzusammensetzung und relativen Häufigkeit der Arten vorliegen. Ökosystemleistungen sind dagegen konzeptionell schwerer zu fassen, weil sie in Bezug zu „menschlichem Wohlergehen“ definiert werden. Dieses „Wohlergehen“ hängt stark von subjektiven Wahrnehmungen und Wertvorstellungen ab, so dass die Diskussion zur Bedeutung bestimmter Ökosystemleistungen oft kontrovers geführt wird. Das Konzept der Ökosystemleistungen (auch als Ökosystemdienstleistungen bezeichnet) betont eine anthropozentrische Sicht auf Arten und Ökosysteme und fragt gezielt nach den Vorteilen, die Menschen aus bestimmten ökologischen Funktionen beziehen können. Diese Verknüpfung von naturwissenschaftlichen Kenngrößen mit Indikatoren für Bedürfnisse und Wünsche von Menschen erfordert eine enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit, damit Ökosystemleistungen adäquat beschrieben und bewertet werden können. Ökosystemleistungen aus verschiedenen Kategorien stehen vielfach in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zueinander, so dass die Förderung eines Typs zum Rückgang eines anderen Typs führt. Insbesondere versorgende Ökosystemleistungen sind vielfach als reziprok zu regulierenden oder kulturellen Ökosystemleistungen beschrieben worden. Erfahrungsgemäß nehmen außerdem unterschiedliche Akteure Ökosystemleistungen unterschiedlich wahr und reagieren auf unterschiedliche Weise auf Ansätze zur Optimierung von Ökosystemleistungen. Kontroversen entwickeln sich z.B. in Bezug auf die Prioritätensetzungen ebenso wie auf die Strategien und Methoden zur Erreichung der Ziele. Prinzipiell können dabei Ansätze mit räumlicher Trennung verschiedener Funktionen (englisch „land sparing“) von integrativen Ansätzen („land sharing“) unterschieden werden. Eine effektive Einbindung verschiedener Sichtweisen bei der Entscheidungsfindung ist in der Vergangenheit nicht immer gelungen und hat wiederholt zu geringer Akzeptanz geführt, z.B. bei Ansätzen, die auf eine räumliche Trennung von Funktionen gesetzt haben (Abb. 7). Stärker integrierende Ansätze, bei denen Eingriffs- und Nutzungsmöglichkeiten weniger beschränkt werden, sind dagegen oftmals besser zu vermitteln. Bei diesen Ansätzen besteht dagegen bei Vertretern des Naturschutzes oft die Sorge, dass sie für die Erreichung anspruchsvoller Schutzziele nicht ausreichen.

Auf diesem Bereich der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung von waldbasierten Ökosystemleistungen liegt der Fokus der humangeographischen Arbeiten im BioHolz-Projekt. Die Forschungen richten sich auf die komplementären Bereiche der Wahrnehmung und Bewertung von Ökosystemleistungen mit Erholungsbezug sowie von Habitat-, ästhetischen und spirituellen Ökosystemleistungen durch Erholungssuchende und Öffentlichkeit als Akteure, die in der Regel nur indirekt auf die Waldentwicklung Einfluss nehmen. Als Gruppen von Akteuren, die unmittelbar mit der Nutzung und dem Management von Wäldern befasst bzw. die an der Entwicklung von Rahmensetzungen für die Waldentwicklung beteiligt sind, sollen auch die Sichtweisen von Entscheidungsträgern wie Waldbesitzern, Förstern und Jägern sowie aus Politik und Verwaltung durch Befragungen ermittelt werden. Mithilfe klassischer und innovativer ökonomischer Bewertungsverfahren sollen im Rahmen umfangreicher empirischer Erhebungen an verschiedenen Standorten in der Untersuchungsregion die forschungsleitenden Hypothesen getestet werden. Die Resultate für einzelne Gesellschaftsgruppen werden in den Optimierungsmodellen des Gesamtvorhabens eingesetzt.

Abb. 7 Ansätze zur Förderung von Biodiversität und Ökosystemleistungen durch räumliche Trennung verschiedener
Landschaftsfunktionen haben wiederholt zu öffentlichen Kontroversen geführt.
Das Konzept der Ökosystemleistungen kann einen Rahmen zur umfassenden und ausgewogeneren
Abwägung unterschiedlicher Interessen bei der Landnutzung bieten

Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.